Don Bosco rettet Kinder vor einem Leben auf dem Abstellgleis
Hauptbahnhof Bangalore. Lautsprecherdurchsagen plärren über die Gleise, Menschen hetzen zum abfahrenden Zug, Verkäufer bieten ihre Ware feil, aus kleinen Imbissen zischt Öl oder wabert Wasserdampf. Es ist laut, stickig, überfüllt. Mitten im Gedränge steht ein kleiner Junge, zwölf Jahre alt. Der Junge duckt sich zwischen den Erwachsenen weg, schaut sich mit großen Augen suchend um. Er irrt ziellos umher, scheint verschwinden zu wollen und fällt doch auf. Denn er ist allein.
Der Bahnhof in Bangalore ist eine wichtige Anlaufstelle für Menschen aus dem ganzen Land. Die meisten hoffen in der Stadt ein besseres Leben führen zu können.
Auch viele Kinder zieht es in die Metropole. Manche werden dann verschleppt und als Kinderarbeiter:innen ausgebeutet.
Father Varghese Pallipuram SDB, geschäftsführender Direktor von BOSCO

Rund um die Uhr im Einsatz
Reddy und Anand beobachten aufmerksam die Menschen auf den Bahnsteigen und auf der Fußgängerbrücke. Die Brücke verbindet alle Bahnsteige des Bahnhofs miteinander. Ihnen fällt der Junge ins Auge – und das ist gut so. Denn Reddy und Anand sind Mitarbeitende der BOSCO Railway Childline. Ihre Mission: Kinder retten. Sie sprechen den umherirrenden Jungen an und gewinnen sein Vertrauen durch ihre Ausweise. Sie deuten auf die Plakate, die hier überall hängen. Auf denen steht in großen Ziffern die Durchwahl der BOSCO Railway Childline: 1098.
Allein in der Großstadt
Gemeinsam gehen Reddy, Anand und der kleine Junge die paar Schritte zu einem kleinen, bunten Verschlag auf dem Bahnsteig: Dem Child Help Desk von Don Bosco (in etwa Kinderhilfsbüro). Die Sozialarbeiterinnen Vimala und Mansana versuchen hier erste Informationen über ihn herauszubekommen. Bei ein paar Keksen und Fruchtsaft taut er schließlich auf. So können sie Bruchstücke aus den Erzählungen zusammensetzen: Der Junge kommt aus Chitradurga, einer Stadt im indischen Bundesstaat Karnataka, rund 200km von Bangalore entfernt. Zusammen mit seiner Großmutter besuche er die Großstadt. Doch im Gewühle habe er sie verloren.

Mit Volldampf Kinder retten
Reddy, Anand, Vimala und Manasa sind alle Mitarbeitende der BOSCO Railway Childline. Die BOSCO Railway Childline ist das ganze Jahr über rund um die Uhr im Einsatz. Das Team sucht hier am Bahnhof nach Kindern, die alleine unterwegs sind. Tausende spülen die Züge jährlich auf die Straßen der Metropole. Denn dort landen sie letztendlich. Die meisten Kinder sind von zu Hause weggelaufen, manche wurden aber auch verkauft oder verschleppt. Sie sind Opfer von Menschenhandel und werden als Kinderarbeiter:innen ausgebeutet, andere hoffen hier einen Job zu finden. Bangalore gilt als Silicon Valley Indiens.
Hilfe für vermisste Kinder
Um diese vermissten Kinder zu retten, gehen Don Bosco-Teams genau dorthin, wo sich gefährdete Kinder aufhalten könnten. Täglich besuchen sie die Bahnhöfe, Bushaltestellen, Marktplätze und zahlreichen öffentlichen Plätze der Stadt. Sie wollen die Jungen und Mädchen vor Menschenhandel, Ausbeutung und Missbrauch bewahren. Im besten Fall kehren die Kinder in ihre Familien zurück. Ist das nicht möglich, wird den Kindern ein Platz in einer der sieben Don Bosco-Einrichtungen gesucht. Hier können sie zur Schule gehen, eine Ausbildung machen und in eine selbstbestimmte Zukunft starten.